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Zugänge erweitern, Hürden abbauen: U15-Positionspapier zum geplanten Forschungsdatengesetz

Präambel

In Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden heute mehr digitale Daten generiert und gesammelt als je zuvor und es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird. In diesen Datenbeständen liegt ein enormer wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Mehrwert. Doch die Erhebung von Daten allein ist für ein Ausschöpfen dieses Potenzials nicht genug. Um die bedeutenden Chancen für die Beantwortung gesellschaftlich und wissenschaftlich relevanter Fragen anhand bereits vorliegender und in Zukunft zu erhebender Daten zu nutzen, sollten Wissenschaftler*innen sichere, diskriminierungsfreie und barrierearme Möglichkeiten für die Nachnutzung von Forschungsdaten, Daten der amtlichen Statistik, administrativen Daten sowie von offenen Datenbeständen der freien Wirtschaft erhalten. Das geplante Forschungsdatengesetz ist dabei ein wichtiges Instrument, um die Datenzugänge für Forschende zu erweitern, zu verbessern und rechtlich zu verbriefen. Es kann somit die Rahmenbedingungen für innovative Forschung und Nutzung von digitalen Datenbeständen signifikant verbessern. German U15 begrüßt daher das Bestreben der Regierung, ein Forschungsdatengesetz auf den Weg zu bringen und legt im Folgenden einen Maßnahmenkatalog für die erfolgreiche Ausgestaltung des Gesetzes vor.

Ausgangslage

Nicht erst seit der Corona-Pandemie liegt ein besonderer Fokus auf dem Wert von und dem verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsdaten. Offene Daten erleichtern interdisziplinäre Forschung und Kooperationen, ermöglichen eine Anschlussnutzung für Wissenschaftler*innen, Wirtschaft, Gesellschaft, Verwaltung und Politik, bilden die Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen und fördern Innovationen. Es fehlt allerdings an gemeinsamen, übergreifenden Standards, dem Aufbau und der Vermittlung anwendbarer Datenkompetenzen für alle Gesellschafts­bereiche sowie an Sichtbarkeit und langfristig abgesicherten Betriebsmodellen von Dateninfra­strukturen.

Daten werden aber nicht nur in der Wissenschaft erhoben. Auch die von der öffentlichen Hand erhobenen und vorgehaltenen Daten bergen ein immenses (wissenschaftliches) Potenzial, das aktuell kaum erschlossen ist. Ungenügende Standards für deren Speicherung, uneindeutige Datenzugangs­berechtigungen und unzureichende Möglichkeiten der Datennutzung (aufgrund mangelnder zentraler Zugriffsoptionen) erschweren die Nutzung von öffentlichen Datenbeständen. Auch der Staat selbst kann massiv von höherer Interoperabilität und Vergleichbarkeit von Verwaltungsdaten profitieren, um evidenzbasierte Entscheidungen treffen und Ressourcen optimal nutzen zu können. In unseren europäischen Nachbarländern Dänemark, Norwegen und Schweden werden administrative Daten zum Teil bereits seit Mitte der 1990er Jahre zentralisiert und sind frei zugänglich. Auch in Deutschland sollte der Staat im Interesse transparenter und evidenzbasierter Entscheidungsprozesse, wo möglich, zum Vorreiter im Bereich Open Data werden.

Noch weniger wissenschaftlich erschlossen sind aktuell die Datenbestände der Wirtschaft. Auch für Unternehmen sollte gelten, dass mit öffentlicher Förderung erhobene Forschungsdaten in entsprechenden Datenzugangsinfrastrukturen und unter Einhaltung adäquater Zugangsregelungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) weist zu Recht darauf hin, dass „die Wissenschaft derzeit nicht in gleichem Maße von Forschungsdaten der Wirtschaft profitiert, wenn diese anders als die staatlich geförderte Forschung unzugänglich bleiben“.[1]

Der verantwortungsvolle Umgang mit Datenbeständen ist für die Forschung als essentieller Teil in den Regelungen zur guten wissenschaftlichen Praxis verankert und wird mehr und mehr zu einem Standard. Neben den Vorgaben der Forschungsförderer und der Entwicklung fachspezifischer und allgemeiner Dienste zum Forschungsdatenmanagement in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), der European Open Science Cloud (EOSC) sowie in GAIA-X, fördern aktuell besonders die Hochschulen und Forschungseinrichtungen die Bereitstellung und den Zugang zu offenen Daten durch institutionelle Leitlinien sowie den Aufbau bedarfsgerechter Infrastrukturen für die technische Umsetzung, Beratung und Kompetenzausbildung. Die Vermittlung von Datenkompetenzen an eine breite Zielgruppe aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft soll künftig zudem über neu aufzubauende, langfristig finanzierte Datenkompetenzzentren angeboten werden. Dies sind wichtige Maßnahmen, um die Hürden für eine standardmäßige Veröffentlichung und Beforschung von Forschungsdaten zu senken und Anreize für einen verantwortungsvollen, nachhaltigen Umgang mit Forschungsdaten zu schaffen.

Die Grundlagen für einen guten und sicheren Umgang mit Forschungsdaten sind also gelegt oder befinden sich aktuell im Aufbau. Doch besonders die rechtliche Ausgangslage für den Zugang zu Forschungsdaten sowie für deren Weitergabe und Nachnutzung ist in weiten Teilen übermäßig komplex und berücksichtigt die Interessen der Forschung bisher unzureichend. Das im Koalitionsvertrag verankerte Vorhaben für ein Forschungsdatengesetz sollte sich aus Sicht von German U15 daher auf sechs Kernbereiche konzentrieren:

(1)    Harmonisierung und Vereinfachung des bestehenden Rechtsrahmens

(2)    Eindeutige gesetzliche Definition von Forschungsdaten unter Einbezug der zur Erstellung der Daten genutzten Software

(3)    Sicherstellung übergeordneter Schnittstellen, Standards und IT-Infrastrukturen für einen reibungslosen, offenen und sicheren Datenzugang und -austausch

(4)    Schutz der Rechte datengebender Stellen

(5)    Rechtliche Verbriefung gleichberechtigter Datenzugangsansprüche für Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und alle Bevölkerungsgruppen, unter der Berücksichtigung begründeter Ausnahmen

(6)    Wahrung der Forschungsfreiheit und der digitalen Souveränität

Zentrales Ziel des Forschungsdatengesetzes muss es sein, die Verfügbarkeit und Nachnutzbarkeit von Daten signifikant zu verbessern. Es werden verlässliche und sichere Zugänge zu forschungs- und öffentlichkeitsrelevanten Forschungsdaten benötigt, bei denen sich sowohl die Datenerhebenden, die Datenkuratierenden als auch die Datenverwertenden an klaren und verständlichen Leitlinien orientieren und rechtssicher mit Daten umgehen können.

Übergreifende Anforderungen im Forschungsdatenmanagement

Aus der Perspektive der Wissenschaft sollte sich der Gesetzgebungsprozess zudem über alle oben beschriebenen Bereiche hinweg an einigen übergreifenden Prämissen orientieren, um sicher zu stellen, dass die neuen Regelungen die Forschung schützen und den erhofften Schub für die deutsche und europäische Datenökonomie bringen:

  • Gewährleistung der disziplinunabhängigen Auffindbarkeit und Nachnutzbarkeit von Forschungsdaten:
    • Aufsetzen von verbindlichen Leitlinien zur Sicherung standardisierter Doku­mentation, maschinen­­lesbarer und barrierearmer Aufbereitung, dauerhaft zitier­barer Bereitstellung von Forschungsdaten in vertrauenswürdigen und nachhaltigen Infrastrukturen sowie eindeutiger Lizenzbedingungen (FAIR-Prinzipien)
    • Dauerhafter Betrieb von sicheren, standardisierten und kontrollierbaren Dateninfrastrukturen für die Aufbewahrung, Nachnutzung und das Teilen von Forschungsdaten unter Wahrung besonderer Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für personenbezogene und sensible Daten sowie Daten, die aufgrund von Urheber- und Patentrechten oder Geschäftsgeheimnissen Zugangsbeschrän-kungen unterliegen
  • Sichere Ermöglichung des Wissenstransfers durch geteilte Datenbestände und -kompe­tenzen:
    • Aufbau und langfristige Sicherung von disziplin- und bedarfsspezifischen Beratungs- und Trainingsangeboten sowie geeigneten IT-Infrastrukturen
  • Respektieren der Grenzen von Open Data unter Beachtung der Dual-Use-Problematik, der gegenseitigen Verpflichtungen von Forschung und Privatwirtschaft zum Teilen von Daten, dem Schutz von Kultur- und Naturgütern (z. Bsp. Geokoordinaten seltener und/oder gefährdeter Naturgüter) sowie der Beachtung des Wertschöpfungszyklus:
    • Stärken der juristischen und forschungsethischen Expertise von FDM-Beratungspersonal
    • Langfristige Absicherung des Aufbaus und der Nutzung von Datenkompetenzen für die Forschung, alle gesellschaftlichen Gruppen, Politik, Verwaltung und Wirtschafts­unternehmen:
      • Aufbau und langfristige Sicherung von Datenkompetenzzentren als Vermittlungs-, Lern- und Transferorte

Diese übergeordneten Zielstellungen sind Grundlage der konkreten Vorschläge von German U15 für das Forschungsdatengesetz. Zwar weisen einige der angedachten Maßnahmen über den Rahmen eines Forschungsdatengesetzes hinaus; sie sollten aber bei der Erarbeitung des Gesetzes mitgedacht werden, um eine möglichst hohe Praxisnähe und eine nachhaltig positive Wirkung für die deutsche Datenlandschaft zu erzeugen.

Rechtsrahmen vereinfachen

Eines der größten Hindernisse bei der Erhebung, Speicherung, Bereitstellung und (Nach-)Nutzung von Forschungsdaten ist die oftmals intransparente und für nicht juristisch geschulte Personen unübersichtliche Rechtslage. Um den Weg zu einer FAIRen und innovationsfördernden Datenökonomie zu ebnen, sollte das von der Bundesregierung geplante Forschungsdatengesetz zum Ziel haben, das Regulierungsdickicht in Deutschland und Europa zu vereinfachen und bundeseinheitliche Rechtssicherheit darüber geben, wann und wie Wissenschaftler*innen Daten nutzen können. Eine Vereinheitlichung der Rechtslage könnte so einen Beitrag dazu leisten, die Unsicherheit, die den Umgang vieler Wissenschaftler*innen mit Forschungsdaten immer noch beeinträchtigt, zu überwinden. Um einen besseren Überblick über bestehende Regelungen zu gewährleisten, bietet es sich außerdem an, über die Schaffung eines Datengesetzbuches nachzudenken, das die relevante Gesetzgebung an einem Ort zusammenführt.

Eine zentrale Anpassung durch das Forschungsdatengesetz sollte aus Sicht forschungsstarker Universitäten vor allem eine Stärkung des Rechtsrahmens für die Veröffentlichung von Forschungsdaten als Open Data sein. Wünschenswert wäre außerdem eine Harmonisierung mit internationalen Regelungen, um die Anschlussfähigkeit der deutschen Datenlandschaft sicherzustellen. Im Besonderen fordert German U15 die Schaffung einer Bereichsausnahme für Forschungsdaten vom Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers gemäß §87a-e UrhG oder die Übertragung des einfachen Nutzungsrechts auf Forschende für Datenbanken, die während eines Forschungsprozesses erzeugt wurden, zum Zwecke der Archivierung und einer möglichen Veröffentlichung.

Eine weitere wünschenswerte Vereinfachung wäre eine Erweiterung der Schrankenregelung aus § 60c Abs. 2 UrhG, um eine Erlaubnis zur vollständigen Vervielfältigung von Werken für die eigene wissenschaftliche Forschung zu ermöglichen. Dies würde insbesondere bei Einrichtungswechseln oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen, die Vervielfältigung und Anschlussnutzung von Forschungs­daten erleichtern, die fremde urheberrechtlich geschützte Werke sind oder solche Werke enthalten. Schließlich böte sich eine Erweiterung des §27 BDSG an, die mit einer Harmonisierung oder Abschaffung der entsprechenden Ländergesetzgebung verbunden werden müsste. Die Änderung sollte zum Ziel haben, die Verarbeitung personenbezogener Daten unter bestimmten Bedingungen für die Forschung im Einklang mit der DSGVO auf Bundesebene zu erlauben.

Jenseits des geplanten Forschungsdatengesetzes sollte der Aufbau juristischer Expertise im Bereich der Datennutzung und die Bereitstellung der dafür notwendigen Ressourcen für die Wissenschaft in den Blick genommen werden.

Datenbereitstellung, Datenzugang und Datennutzung sicherstellen

Das geplante Forschungsdatengesetz muss den Zugang zu Daten aus öffentlich finanzierter Forschung unabhängig von der Einrichtung, an der sie entstanden sind, sicherstellen und rechtlich verbriefen. Für diese Art Daten sollte sich das Gesetz an folgenden Kriterien orientieren:

  • Garantierte Veröffentlichung in geeigneten Datenzugangsinfrastrukturen (bspw. Forschungsdatenzentren oder Repositorien), wenn keine triftigen Gründe (bspw. sensible Daten) dies verhindern
  • Regelung des Zugangs nach Art der Daten (sensible Daten, Patente, sicherheitsrelevante Daten) durch angemessene, abgestufte Zugriffsklassen oder Embargofristen
  • Uneingeschränkter, dauerhafter Zugriff auf die dazugehörigen beschreibenden Metadaten (FAIR-Prinzipien)
  • Dauerhafter Betrieb, sicherer und uneingeschränkter Zugang und Weiterentwicklung der NFDI-Infrastrukturen
  • Schaffung und Weiterentwicklung von Anreizsystemen zur Bereitstellung von Daten aus öffentlich finanzierter Forschung und Prüfung der Einhaltung verbindlicher Vorgaben durch die Forschungsförderer

Auch der Zugang zu Daten öffentlicher Stellen (z. B. Register- und Verwaltungsdaten) muss nachhaltig verbessert werden:

  • Offene Bereitstellung von Daten und digitalisierten Beständen öffentlicher Stellen, Archiven, Museen und Bibliotheken als Grundlage für die Forschung und evidenzbasierte Entscheidungsprozesse in Verwaltung und Politik sowie im Sinne der gesamtgesellschaftlichen Teilhabe unter Wahrung der Persönlichkeits- und Urheberrechte
  • Schaffung geeigneter und sicherer Datenzugangsinfrastrukturen (DataHubs, Datentreuhänder) mit klar definierten Zugangsregelungen zu Daten öffentlicher Stellen
  • Schaffung, Betrieb und Weiterentwicklung geeigneter, gemeinsamer Standards, Speicherorte und Schnittstellen zu Auffindbarkeit, Referenzierbarkeit, Datenaustausch und Nachnutzung

Nicht zuletzt besteht aktuell ein Ungleichgewicht zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wenn es um die Publikation von Daten aus öffentlich finanzierter Forschung geht. Daher sollten dringend auch Anpassungen beim Zugang zu souveränen europäischen und, wo möglich, internationalen Datenökosystemen der Wirtschaft vorgenommen werden:

  • Offene Bereitstellung von Unternehmensdaten, die mit öffentlicher Förderung erhoben wurden, in geeigneten Datenzugangsinfrastrukturen
  • Gemeinsamer Zugang von Forschung und Wirtschaft durch eine nachhaltige Förderung und Verknüpfung von GAIA-X und NFDI
  • Ausgeglichener Datenzugang zu Forschungsdaten und Datenökosystemen der Wirtschaft um die Innovationspotentiale auf beiden Seiten zu fördern
  • Zuverlässige gesetzliche Lösungen für das Teilen von Daten aus technologisch sensiblen Bereichen schaffen, deren Weitergabe unter das deutsche Exportkontrollrecht fällt

Datenschutz und Schutz der Datengeber*innen sicherstellen

Der Datenschutz ist ein unveräußerliches Grundrecht und als solches schützenswert und von immenser Bedeutung. Dennoch ist festzustellen, dass die bestehenden Datenschutzregelungen für viele Wissenschaftler*innen einen großen Unsicherheitsfaktor für den Umgang mit Daten darstellen, der durch die zusätzliche Komplexitätsebene der ländereigenen Datenschutzgesetzgebungen noch verstärkt wird. Obwohl der Datenschutz häufig weniger restriktiv ist, als von den Forschenden angenommen, bedarf es einer Konkretisierung und Harmonisierung der Datenschutzgesetzgebung. Dafür schlägt German U15 folgende Maßnahmen vor:

  • Datenschutzregelungen der Länder, des Bundes und des europäischen Raumes vereinheitlichen, vereinfachen und präzisieren, um Unsicherheiten seitens der Forschung (Überregulieren von Datenschutzmaßnahmen, Umgehen des Datenschutzes) zu beseitigen
  • Datenschutzregelungen in Bezug auf fachspezifische Nutzungsszenarien anpassen, bspw. Zugang zu Forschungsdaten aus klinischen Studien
  • Datenschutzregelungen für internationale Forschungskooperationen erleichtern, sichere Zugänge ermöglichen und geeignete Schnittstellen schaffen (v.a. Datentransfer und -speicherung auf internationalen Servern)

Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Anpassung der Betroffenenrechte im Sinne der Forschung:

  • Verhältnismäßigkeit von Forschung und Personenschutz wahren: Nach Vergabe eines persistenten Identifikators nach der Veröffentlichung von Forschungsdaten (auch mit Personenbezug) ist eine Löschung der Daten ohne sehr gewichtige Gründe nicht mehr verhältnismäßig
  • Konkretisierung, Ausweitung und Liberalisierung von Forschungsklauseln unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte und unter Abwägung der gesellschaftlichen Relevanz von Forschungsvorhaben:
    • Rückverfolgung von Personen für die weitere Kontaktaufnahme zu Forschungszwecken, bspw. durch Aufsetzen eines Broad Consent und/oder nach erfolgtem Einverständnis der Proband*innen ermöglichen
    • Datenverkettung zu Forschungszwecken erleichtern, wenn die Forschung aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde und ethische Risiken ausgeschlossen werden können
    • Erweiterten Datenschutz und Zusammenführung von Daten auch nach einer Änderung der Forschungsfrage während des Forschungsverlaufes ermög­lichen
    • Entscheidungsspielraum für die Anwendung von Forschungsklauseln und Erlaubnistatbeständen konkretisieren
    • Geprüfte Kriterien für die Folgenabschätzung (Dual-Use-Problematik, weitere ethische Auflagen) bereitstellen
    • Einführen von Schranken für KI-Anwendungen zur Aufrechterhaltung der Anonymisierung von Forschungsdaten Verpflichtendes Beachten der CARE-Prinzipien für eine indigene Data-Governance zum verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit den Rechten von Datengeber*innen und Proband*innen

Um dabei den Schutz der Forschenden und Datengebenden zu gewährleisten, sollte die Möglichkeit des Informantenschutzes für Forschende geschaffen werden. Dieser sollte den Schutz von Datenquellen, Beschlagnahmeverbote, Zeugnisverweigerungsrechte sowie Verschwiegenheits-pflichten beinhalten. Zusätzlich gilt es diejenigen vor Datentracking durch Verlage und andere kommerzielle Akteure im wissenschaftlichen Umfeld zu bewahren, die Forschungsdaten publizieren.

Vertrauen zu Datengebern sicherstellen, Schnittstellen schaffen und ausbauen

  • Eine der wichtigsten Maßnahmen, um den Zugang zu wissenschaftlichen Daten zu erleichtern, zu verbessern und somit die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von wissenschaftlicher Arbeit zu unterstützen, ist die Förderung und die Verbesserung der Rechtsgrundlage von Datentreuhändermodellen. Ziel muss das Einrichten und der dauerhafte Betrieb von domänenspezifischen Datentreuhandstellen sein. Dafür sollte sich das Forschungsdatengesetz aus Sicht forschungsstarker Universitäten an folgenden Kriterien orientieren:
    • Verbesserung des Zugangs zu Datenbeständen für die Forschung, die aus rechtlichen und ethischen Gründen oder aufgrund legitimer Geschäftsinteressen anderweitig nicht zugänglich wären
    • Bereitstellen und Anbinden vertrauenswürdiger, zentraler und technischer Funktionen, Schnittstellen, Infrastrukturen und Werkzeuge für Forschungsprojekte und Infrastruktureinrichtungen zur gesetzeskonformen Nutzung und Verknüpfung von Daten, bspw. aus dem Gesundheitswesen
    • Ermöglichung der nutzerzentrierten, sicheren und datenschutzkonformen Haltung, Verknüpfung, Ausgabe und Verarbeitung von domänenspezifischen Datenbeständen durch anerkannte Datentreuhandstellen
    • Verknüpfung von Datentreuhandstellen mit bereits existierenden Infrastrukturen, bspw. den zertifizierten Forschungsdatenzentren des RatSWD sowie weiteren vertrauenswürdigen fachspezifischen und generischen Repositorien
    • Gewährleistung breiter Datennutzungsszenarien zu Forschungszwecken für Forschungsdaten und Daten privater Stellen in Verbindung mit rechtlich verbrieften Zugangsansprüchen für Forschungszwecke unter Berücksichtigung des Datenschutzes, Geschäftsgeheimnisses sowie Patentschutzes (bspw. durch das Angebot an Anonymisierungsdiensten oder Leistungen des Einwilligungsmanage-ments)
    • Dauerhafte Absicherung, regelmäßige Prüfung und Zertifizierung der benötigten Hochsicherheits-IT-Infrastrukturen für den Betrieb von Diensten der Datentreuhandstellen anhand klarer Vorgaben (bspw. Five Safes Framework).

Schutz von Forschungsinfrastrukturen und IT-Basistechnologie

Essenziell für einen effektiveren Umgang mit Forschungsdaten ist die Absicherung des dauerhaften, sicheren und nachhaltigen Betriebs forschungsunterstützender FDM-Infrastrukturen, -Dienste und IT-Basistechnologien zur Gewährleistung der guten wissenschaftlichen Praxis an allen öffentlichen Forschungseinrichtungen. Diese Aufgabe überspannt den Wirkungsrahmen eines Forschungsdaten­gesetzes deutlich, kann durch das Gesetz aber unterstützt werden und muss daher bei seiner Konzipierung zwingend mitgedacht werden. Hierfür sollten vor allem die folgenden Ziele in den Blick genommen werden:

  • Schaffung regulatorischer Vorgaben für Betreiber technischer Infrastrukturen zur Einhaltung der Informationssicherheit und des Datenschutzes (DSGVO-konform)
  • Entwicklung und Bereitstellung anerkannter und nachprüfbarer Verfahren für die Integrität und Verfügbarkeit von Forschungsdaten
  • Stärkung der Nutzung und Entwicklung nicht-kommerzieller und -interessensgeleiteter technischer Angebote aus der und für die Forschung:
    • Integration und Umsetzung der FAIR-Prinzipien
    • Einhalten forschungsethischer Prinzipien
    • Geteilte Dienste durch gemeinsamen, standortübergreifenden Betrieb absichern (Länder-, Bundes-, EU-Ebene)
    • Öffnung eigener Dienste zum Zweck der gemeinsamen Nutzung und Weiterentwicklung (Open Source), gezielte Förderung von Offenheit
    • Förderung gemeinsamer Identitätsmanagementsysteme
    • Förderung, Einrichtung und Betrieb von Basis-Infrastrukturen an den Forschungseinrichtungen, um die Anforderungen der guten wissenschaftlichen Praxis technisch umsetzen zu können und Ressourcen auf die Standorte gleich zu verteilen
      • Verpflichtung für die Betreiber zu transparenten und nachvollziehbaren Servicebedingungen und Kostenmodellen, die an den Erwartungen von Forschenden ausgerichtet sind

Schlussappell

Der sichere Zugang und die Nachnutzung von Forschungsdaten sollte durch einen eindeutigen und anwendungsorientierten Rechtsrahmen gestärkt werden. Dabei sollten die Interessen der Forschung und der Gesellschaft gegenüber wirtschaftlichen Interessen abgewogen werden, damit die Verwendung von Daten die angesichts der aktuellen Krisen benötigten Innovationen und gesellschaftlichen Trans­formationen vorantreiben kann. Durch die Nutzung von frei zur Verfügung stehenden, hochqualitativen Datenbeständen und deren Vernetzung über disziplin- und anwendungsspezifische Kontexte hinweg ergeben sich neue Forschungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, die wiederum neue Potentiale für die wissenschaftliche wie wirtschaftliche Entwicklung aufzeigen. Hierzu bedarf es Vertrauen schaffender, sicherer und langfristig betriebener Infrastrukturen. Erfolgsentscheidend ist außerdem der gezielte Aufbau von Datenkompetenzen nicht nur für die Forschung, sondern auch in Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen.

Eine einheitliche Gesetzgebung unter Wahrung der Forschungsinteressen und -bedarfe trüge entscheidend zu dieser Entwicklung bei und würde die Bereitstellung offener und qualitativ hochwertiger Datenbestände unterstützen. Besonderen Schutz und besondere Voraussetzungen für die Forschung benötigen personenbezogene und sensible Daten. Die Möglichkeit, auch auf diese Datenbestände für wissenschaftliche Zwecke zugreifen zu können und Analysen durchzuführen, muss über eine einheitliche und forschungsfreundliche Gesetzgebung eingeräumt werden. Dies ist insbesondere für die Zukunft der medizinischen Versorgung und des Gesundheitssystems entscheidend. Zudem muss im Umgang mit der Datengesetzgebung darauf geachtet werden, dass keine weiteren bürokratischen Hürden für alle betroffenen Gruppen entstehen. Nur unter diesen Prämissen wird es gelingen, eine Datenökonomie zu schaffen, die das in Daten liegende Potenzial für Innovation, Gesundheitsschutz, wirtschaftliche Entwicklung und evidenzbasierte politische Entscheidungsprozesse zu heben versteht.

German U15 plädiert daher dafür, anhand der oben beschriebenen Maßnahmen ein Forschungsdatengesetz auf den Weg zu bringen, welches über Partikularinteressen hinweg die Archivierung, Nachnutzung und Bereitstellung von Daten erleichtert, Zugänge für Forschende erweitert, den Aufbau und Betrieb sicherer IT-Infrastrukturen, Standards und Schnittstellen stärkt, den langfristigen Zugang zu qualitativ hochwertigen Datenbeständen sicherstellt und das Wissenschaftsprivileg klar verankert.


 Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2022). Open Science als Teil der Wissenschaftskultur. Positionierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zenodo. S. 10. https://doi.org/10.5281/zenodo.7193838