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2013/02 Universitätsfinanzierung

GermanU15 – Stellungnahme zur Universitätsfinanzierung

Der Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland in der Zukunft hängt ganz entscheidend von der hohen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit ihres Wissenschaftssystems ab. Ihre Sicherung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von allerhöchster Priorität.

Die Universitäten in Deutschland sind Landesuniversitäten. Sie sind das Rückgrat des tertiären Bildungssystems und der öffentlich finanzierten Forschung. Vor allem große Forschungsuniversitäten stehen im Wettbewerb mit den besten Universitäten der Welt. Eine dauerhafte Grundfinanzierung ihrer Leistungen auch durch den Bund ist derzeit verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

I. Ausgangssituation

Das deutsche Wissenschaftssystem stößt mit seinen derzeitigen engen föderalen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und institutionellen Strukturen an Grenzen.

Unzureichende Grundfinanzierung:

Die Länder sind derzeit und in der näheren Zukunft nicht in der Lage, ihre Forschungsuniversitäten international konkurrenzfähig und nachhaltig zu finanzieren. Das Wachstum der Grundmittel in den vergangenen 15 Jahren glich nicht einmal die Inflation aus. Dem gegenüber stehen überdurchschnittliche Kostensteigerungen beispielsweise bei der Energieversorgung und der Informationsversorgung (Bibliothekswesen, Infrastrukturen) sowie die Übertragung zusätzlicher Aufgaben insbesondere in Lehre, Weiterbildung, Services und Administration.

Erfreulicherweise stehen derzeit für die Forschung in Deutschland so viele Forschungsmittel bereit wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Die erfolgreiche Umsetzung von Drittmittelprojekten bei Gewährleistung der Einheit von Forschung und Lehre an Forschungsuniversitäten setzt allerdings eine ausreichende, dauerhaft zur Verfügung stehende Grundfinanzierung der Universitäten voraus. Aktuell werden die mit den Drittmittelprojekten verbundenen indirekten Kosten durch Programmpauschalen und Overheads (DFG, BMBF je 20%) nicht gedeckt. Die Grundfinanzierung der Universitäten umfasst häufig nur noch 50-60% des Gesamtjahresbudgets und sinkt relativ zu steigenden Drittmitteleinnahmen weiter. Die Universitäten zehren ihre Substanz auf; eine nachhaltige Weiterentwicklung der Aufgaben in Forschung und Lehre auf international kompetitivem Niveau ist daher in Frage gestellt.

Zeitlich befristete Sonderprogramme:

Wir erkennen die Anstrengungen der Länder an, die Universitäten mit Sonderprogrammen bei der Erfüllung ihrer Grundaufgaben zu unterstützen. Wir stellen aber fest, dass diese häufig zulasten einer ausreichenden Grundfinanzierung gehen und dass mit befristet gewährten, projektgebundenen „Zweitmitteln“ versucht wird, die Hochschulen zu steuern (sog. „Goldener Zügel“). Dabei wird die Abhängigkeit von kurzfristig gewährten Projektmitteln, auch für die Lehre oder für Wissenschaftsdienstleistungen weiter vergrößert, häufig verbunden mit der Forderung nach Begleitfinanzierung aus den Eigenmitteln der Universität (sog. „Matching-Funds“) oder nachhaltiger Weiterfinanzierung. Der nachhaltige Nutzen derartig befristeter Projektmittel oder Anschubfinanzierungen ist angesichts der prekären Grundfinanzierung fragwürdig. Zudem gefährdet diese Vorgehensweise zunehmend die Hochschulautonomie und damit die Grundlage für freie, wissenschaftsgeleitete Grundlagenforschung. Schließlich erlaubt der befristete Charakter der Zweitmittel bei Einstellung neuer Mitarbeiter nur zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnisse. Dies hat auch Auswirkungen auf nachhaltige Personalentwicklung und auf verlässliche Karriereplanung.

Fehlende Planungssicherheit:

Die Anstrengungen von Bund und Ländern im Rahmen der Exzellenzinitiative, des Hochschulpakts 2020 und im Rahmen des Pakts für Forschung und Innovation sowie die Anstrengungen der EU würdigen wir ausdrücklich. Allerdings sind insbesondere die Bedingungen für die Weiterführung der Projekte der Exzellenzinitiative nach 2017 bislang noch völlig unklar. Zusammen mit den oben erwähnten Faktoren führt dies dazu, dass eine langfristige, nachhaltige Entwicklungsplanung für Forschung und Lehre an den Universitäten fast unmöglich geworden ist.

II. Die Bedeutung großer Forschungsuniversitäten

Das deutsche Hochschulsystem hat sich in den letzten Dekaden zunehmend ausdifferenziert. Dabei übernehmen insbesondere große, international ausstrahlende Forschungsuniversitäten im Zusammenwirken mit außeruniversitären Einrichtungen an ihren Standorten immer mehr nationale und europäische Aufgaben. Disziplinübergreifende Spitzenforschung unter Nutzung der großen Fächervielfalt und herausragende forschungsgeleitete Lehre zur Heranbildung der nächsten Wissenschaftlergeneration sind nicht regional begrenzt denkbar. Die führenden Universitäten Deutschlands stehen im internationalen Wettbewerb um Wissenschaftler/innen, Nachwuchsforscher/innen, die besten Studierenden sowie um Ideen und Forschungsmittel. Neues Wissen, neue Ideen, neue Entdeckungen bilden stets den Anfang der Wertschöpfungskette. Handlungsfähige Universitäten sind ausreichend grundfinanzierte Universitäten, und nur diese sind attraktiv für institutionelle Partner am Standort und darüber hinaus. Nur eine ausreichende Grundfinanzierung setzt sie in die Lage, gemeinsame Synergien auszuschöpfen.

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der wissenschaftlichen Spitzenstandorte in Deutschland ist nicht nur Ländersache. Da insbesondere die großen Universitäten des Landes im Sinne einer arbeitsteiligen Wissenschaftslandschaft auch bundespolitische Ziele im globalen Wissenschaftswettbewerb erfüllen und ihre internationale Bedeutung im Interesse Deutschlands und nicht nur einzelner Bundesländer weiterentwickeln sollen, sind damit auch außenpolitische und außenwirtschaftliche und insbesondere auch entwicklungspolitische Aufgaben und Handlungsfelder für die Universitäten verbunden. Dies rechtfertigt, ja erfordert eine Mitfinanzierung durch den Bund.

Große Forschungsuniversitäten kooperieren in besonders intensiver Weise mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Während letztere bereits auf eine gemeinsame Finanzierung durch Bund und Sitzland zurückgreifen können, ist es dringend angebracht, auch den kooperierenden Landeseinrichtungen eine verlässliche Kofinanzierung durch den Bund zukommen zu lassen. Ohne diese ist eine gleichberechtigte Partnerschaft kaum möglich, zumal die Universitäten ungleich vielfältigere Aufgaben an den jeweiligen Standorten zu übernehmen haben.

Die Auflösung der Fragmentierung der deutschen Wissenschaftslandschaft und der dauerhafte Einsatz von Bundesmitteln für international konkurrenzfähige Forschungsuniversitäten ist daher notwendig. Die Länder sollen sich jedoch nicht aus deren Finanzierung zurückziehen, denn als „glokalisiert“ agierende Einrichtungen müssen die international geprägten Forschungsuniversitäten auch wichtige regionalwirtschaftliche und landespolitische Funktionen erfüllen. Eine möglichst starke Finanzierung auch durch die Länder ist daher wohl begründet.

Die in German U15 zusammengeschlossenen Forschungsuniversitäten fordern von Bund und Ländern ein klares Bekenntnis zur arbeitsteiligen Hochschullandschaft und einer daran ausgerichteten Hochschulfinanzierung. Dazu gehört eine an internationalen Spitzenuniversitäten orientierte Finanzierung für große Forschungsuniversitäten. Wir erwarten zumindest, eine Bund-Länder-Grundfinanzierung im Rahmen einer Grundgesetzanpassung unvoreingenommen zu prüfen.

III. Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

Wir schlagen vor, folgende Maßnahmen schnellstmöglich zu prüfen und umzusetzen, um Schaden von den Forschungsuniversitäten abzuwenden.

Schnelle Entscheidung über die Weiterfinanzierung und Erhöhung der Overheads, um Planungssicherheit zu erhalten:

Die Infrastrukturkosten für Forschung und forschungsorientierte Lehre haben sich durch die allgemeine Kostenentwicklung (z. B. Energiekosten) und zunehmend geräteintensivere Forschungsrahmenbedingungen in den letzten beiden Jahrzehnten vervielfacht. Dies wurde nicht durch entsprechende Grundausstattungserhöhungen ausgeglichen. Die Programmpauschale von 20% auf Forschungsmittel, die die DFG seit 2007 gewährt, läuft mit dem Hochschulpakt (2. Säule) 2015 aus. Eine sukzessive Erhöhung der Pauschalen zur Deckung der tatsächlichen Infrastrukturkosten und damit zur Sicherung und zur Erneuerung der Grundausstattung ist dringend erforderlich. Ziel muss es sein, zu einer Vollkostendeckung für Forschungsleistungen zu gelangen. Für deren Sicherung ist im Einklang mit Erhebungen durch die DFG und die EU eine Anhebung der Overheadmittel auf mindestens 60-70% erforderlich. Im Einklang mit der DFG sollten auch die BMBF-Overheadpauschalen weitergeführt und angepasst werden. In gleicher Weise betrifft dies Fördermaßnahmen und Auftragsforschung anderer Bundesressorts. Projekte, die die hohe Internationalität von Forschung und Lehre fördern, die den Studierenden- und Dozentenaustausch etc. unterstützen sowie die weitergehende Internationalisierung anstoßen, ziehen erhebliche Grundausstattungskosten nach sich. Hier wird besonders deutlich, welche Leistungen die führenden deutschen Universitäten für die Bundesrepublik als Ganzes übernehmen. Auch der DAAD muss daher, jenseits der reinen Stipendienvergabe, analog zur DFG und BMBF eine Art Overheadregelung einführen.

Steuerliche Benachteiligung deutscher Universitäten beheben:

Die deutschen Universitäten zahlen als öffentlich-rechtliche Körperschaften und als Stiftungsuniversitäten u.a. bei EU-Projekten Mehrwertsteuern, die Ihnen gegenwärtig nicht erstattet werden. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Deutschland, die vorsteuerabzugsberechtigt sind, zahlen diese nicht. Universitäten aus anderen europäischen Staaten werden von ihren eigenen Ländern entlastet oder sind ebenfalls vorsteuerabzugsberechtigt. Der nationale und internationale Wettbewerbsnachteil muss in Form einer Erstattung der Kosten für deutsche Universitäten ausgeglichen werden.

Ausbauprogramme für die forschungsorientierte Lehre weiterentwickeln und verstetigen:

Doppelte Abiturjahrgänge durch die Einführung des G8 sowie die Aussetzung der Wehrpflicht stellen die Universitäten vor besondere Herausforderungen. Mit Landes- und Bundesprogrammen werden derzeit die Kosten des Studierendenaufwuchses von Bund und Ländern mitgetragen. Nur unter größten Anstrengungen und durch interne Mittelpriorisierung zulasten anderer Bereiche können große Forschungsuniversitäten das hohe Niveau in der forschungsorientierten Lehre sichern. Die Gruppe der German U15 geht davon aus, dass sich aufgrund des veränderten Bildungsverhaltens (Studierneigung, Bildungsbeteiligung und Weiterbildung) die Studierendenzahl in der Zukunft nicht vermindern wird. Zugleich wurden im Zuge des Ausbaus Tausende von Personalstellen in allen Bereichen der Universitäten geschaffen. Die Perspektiven des Personals sind aber großenteils unsicher. Um auch hier Existenzsicherheit und Planbarkeit zu gewährleisten, müssen die Ausbauprogramme über das Jahr 2020 hinaus verstetigt werden. An forschungsorientierten Universitäten studieren die Wissenschaftler/innen und Führungskräfte von morgen. Um ihnen Karrierechancen und Perspektiven zu eröffnen, ist der an der arbeitsteiligen Hochschullandschaft orientierte, bevorzugte Ausbau von Masterstudienplätzen unverzichtbar. Entsprechende Programme von Bund und Ländern sind zu etablieren.

Demographischer Wandel verlangt Ausbauprogramm Internationalisierung:

Große Forschungsuniversitäten sehen sich international einer wachsenden Konkurrenz gegenüber. Im Rahmen der Exzellenzinitiative einerseits und durch verstärkte Einwerbungen jenseits der eigentlichen Grundfinanzierung andererseits, ist es gelungen, den Internationalisierungsgrad deutlich zu steigern. Nur wenige Universitäten in Deutschland sind aufgrund ihres Standorts, ihrer Leistungen in Forschung und Lehre sowie ihrer bereits erwiesenen Internationalität in der Lage, global kompetitiv aufzutreten und in signifikantem Umfang exzellente internationale Studierende und Fachkräfte anzuziehen. Dies ist jedoch angesichts der demographischen Entwicklungen von zentraler Bedeutung. Bund und Länder müssen daher dafür Sorge tragen, dass die Förderung von Auslandsengagements deutscher Universitäten ebenso wie die Internationalisierung am heimischen Standort nachhaltig, zielgerichtet und langfristig erfolgreich angelegt ist. Es gibt unseres Wissens nach bislang kein langfristig angelegtes Vorhaben von Bund und Ländern, mit dem die Potenziale deutscher Forschungsuniversitäten im Ausland realisiert werden können. Die German U15 bieten an, hier in einen intensiven Dialog mit den Verantwortlichen zu treten und ihre Erfahrungen bei der Entwicklung einer langfristig angelegten Strategie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im In- und Ausland einzubringen.

In Infrastruktur investieren:

Viele Lehr- und Forschungsbauten der 1960er bis 1980er Jahre sind abgenutzt, energetisch veraltet und nicht mehr auf die technischen Notwendigkeiten des heutigen Lehr- und Forschungsbetriebs hin umzubauen. Die Zweckbindung der Mittel für den Hochschulbau endet Anfang 2014. Die Unsicherheit bezüglich der von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Forschungs- und Lehrinfrastruktur muss beendet werden. Bund und Länder sind in der Pflicht, Wege zu finden, um sowohl für neue Forschungsbauten als auch für bestehende Ersatzbauten mit Blick auf den wachsenden Sanierungsstau an den Universitäten und den Universitätskliniken inflationsbereinigt mehr Mittel als bislang zur Verfügung zu stellen und flexible sowie innovative Finanzierungsmodelle zu ermöglichen. Die Sicherung einer konkurrenz- und zukunftsfähigen Informationsinfrastruktur ist angesichts der beschleunigt wachsenden Datenmengen und Rechnerleistungsanforderungen eine besonders kostenintensive Herausforderung, die alle Aspekte universitären Handelns betrifft. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Lehre zu sichern und weiterzuentwickeln, müssen Bund und Länder die Universitäten nachhaltig so ausstatten, dass diese auch künftig Wissenschaft an der Forschungsfront betreiben können.

Exzellenzinitiative – Dynamik sichern:

Die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern hat erfolgreich dazu beigetragen, Spitzenforschung zu fördern und die Arbeitsteilung innerhalb der Wissenschaftslandschaft in Forschung und Lehre sichtbar zu machen. Mit dem Ziel, forschungsintensive deutsche Universitäten näher an die internationale Spitze heranzuführen verbindet sich die Notwendigkeit, die erfolgreichen Instrumente der Förderung nach 2017 weiterzuführen. Forschung, forschungsorientierte Lehre und strategische Instrumente zur Schärfung von Profil und/oder Infrastruktur bzw. Rahmenbedingungen bilden eine Einheit, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die German U15 fordern die Verantwortlichen auf, möglichst schnell zur Entscheidung zu kommen, wie erfolgreiche Projekte aller drei Säulen über die gegenwärtigen Finanzierungszeiträume hinaus weitergeführt werden können – auch mit Blick auf eine verantwortungsbewusste Personalplanung.

IV. Fazit

  1. Deutschland braucht international wettbewerbsfähige Universitäten mit herausragender Forschung und forschungsgeleiteter Lehre. Dies setzt eine international konkurrenzfähige Grundfinanzierung voraus.
  2. Es ist höchste Zeit, dass sich Politik und Gesellschaft zur arbeitsteiligen Hochschullandschaft bekennen.
  3. Nur mit verbesserter und verlässlicher Grundausstattung ist es möglich, dass universitäre Spitzenforschung langfristig die Grundlage für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Wertschöpfungskette bildet.
  4. Volkswirtschaftlich, aber auch in weit umfassenderem Sinn betrachtet, sind die Universitäten keine „Kostenträger“ von Bund und Ländern, sondern eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.